MadridHauptstadt des Mülls
11.11.2013 ·
Spaniens Hauptstadt hat für nichts mehr Geld, auch nicht für die Reinigung der
Straßen. Die Einwohner Madrids leiden unter dem Müllstreik – aber auch unter
der Fehlbesetzung im Rathaus.
Madrid sieht seit einer Woche aus wie ein umgekippter
Mülleimer. Und das ist volle Absicht. Denn ein Teil der Müllmänner, die sonst
die spanische Hauptstadt sauber halten, marodiert als rabiate Streikposten durch
die Straßen, reißt Plastiksäcke auf und verstreut den Inhalt über die schon
angesammelten Halden. Daneben zünden die Müllmänner Container an, treten
Papierkörbe durch das Viertel und schlitzen die Reifen ihrer eigenen Fahrzeuge
auf. Die noch arbeitswilligen Kollegen, welche die mit den Gewerkschaften
vereinbarten Minimaldienste leisten, tun das unter Polizeischutz.
Hintergrund des Arbeitskonflikts ist die schlichte Tatsache, dass
die Stadt mit ihren drei Millionen Einwohnern, die sieben Milliarden Euro
Schulden vor sich her schiebt, für nichts mehr Geld hat. Hier spiegelt sich die
große spanische Krise im lokalen Schaufenster: tiefe Schnitte bei den
Kultursubventionen, Einsparungen bei den Schulen und Krankenhäusern,
Privatisierungsversuche in der Not. Letzteres gilt auch für den Müll. Die Stadt
hat die Reinigung an vier Unternehmen vergeben und dann im Sommer die Verträge
gekündigt.
Kein Ende in Sicht
Bürgermeisterin Ana Botella, die auf diesem Weg einige Millionen
einsparen wollte, dachte zunächst, das sei kein Problem. Erstens fand sie, dass
Madrid genau besehen schon ein bisschen zu sauber sei. Und zweitens könnten die
Firmen sich ja durch Kürzungen bei Löhnen und Personal der neuen Lage anpassen.
Als sie beides unter Druck beschlossen, organisierten die Gewerkschaften diesen
Ausstand, für den noch kein Ende in Sicht ist. Und er verwandelte sich
inzwischen, wie man im Rathaus beklagt, in eine Art „Stadtguerilla mit Sabotage
und Vandalismus“, die allein durch zerstörtes öffentliches Eigentum schon mit einer
halben Million Euro zu Buche schlägt.
In Madrid stinkt freilich nicht nur der Müll. Die Stadt, die in
den Jugendjahren der Demokratie international durch „La Movida “ bekannt wurde – das
Wort stand für Lebensfreude, Freizügigkeit in jeder Beziehung und ein
reichhaltiges Kulturangebot – hat den Blues. Plötzlich will den Madrilenen
nichts mehr glücken. Zum dritten Mal nacheinander scheiterten sie mit ihrer
Bewerbung für Olympische Spiele. Das in vielerlei Hinsicht zweifelhafte Projekt
„Eurovegas“ – ein Glücksspiel- und Kongresszentrum, das 17 Milliarden Euro an
Investitionen und eine Viertelmillion Arbeitsplätze in einen tristen Vorort
bringen soll – ist noch nicht endgültig sicher. Noch steht das Rauchverbot im
Wege.
Doch damit nicht genug. Ausgerechnet in einem Rekordjahr für
Spanien, das voraussichtlich die Marke von 60 Millionen Besuchern überspringen
wird, brach der Hauptstadttourismus ein. Der Flughafen ist mangels direkter
Verbindungen von dem in Barcelona überflügelt worden. Sogar das Prado-Museum
verlor ein Viertel seines noch immer stattlichen Zustroms. Salz in die Wunden
einer Stadt, die keinen Strand, sondern nur ihre attraktive Umtriebigkeit hat,
streuen nun noch vergleichende internationale Erhebungen.
Das Reputation Institute kam in seiner jüngsten
„CityRepTrak“-Studie von 100 Großstädten zu dem Ergebnis, dass Madrid im Urteil
der Ausländer nicht nur merklich hinter Rom, London und Paris, sondern auch
hinter seine schönere einheimische Schwester Barcelona zurückgefallen sei. Und
in einer Umfrage der Europäischen Kommission zu 83 Städten des Kontinents
traten nicht nur die rufschädigenden neuen Defizite Madrids bei Verkehr,
Bildung und Kultur zutage. Auch was die Luftverschmutzung, den Lärm und eben
die Sauberkeit angeht, zählte es zu den Schlusslichtern – bei der Sauberkeit
lag die Stadt allerdings noch vor Berlin.
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